Nervenstimulator bekämpft Müdigkeit

Forschern der US-Luftwaffe ist es gelungen, mit einem Nervenstimulator die Übermüdung freiwilliger Versuchspersonen nach einer durchwachten Nacht zu lindern. Sie benutzten dazu ein Gerät von der Größe eines Rasierapparates, das an den Hals gehalten wird und mit winzigen Stromschlägen den unter der Haut verlaufenden Vagusnerv anregt. Über die von der US-Raumfahrtbehörde NASA finanzierte Studie berichtete kürzlich das Fachblatt Communications Biology.

In dem Artikel verweisen die Wissenschaftler darauf, dass Müdigkeit („Fatigue“) nicht nur ein weit verbreitetes Gesundheitsproblem sei, sondern auch ein Sicherheitsrisiko, wenn sie beispielsweise bei Ärzten oder Schichtarbeitern zu Fehlern führt. Ausdrücklich erwähnen die Forscher auch, dass ihre Arbeit für Gesunde gedacht sei, um deren Leistung zu steigern.

Dazu testeten sie an 40 Militärangehörigen ein Gerät namens gammaCore, das in Europa seit dem Jahr 2016 zur Behandlung der besonders bösartigen Cluster-Kopfschmerzen zugelassen ist und mittlerweile auch gegen Migräneattacken zum Einsatz kommt. In Deutschland wird es für diese Zwecke zum Preis von etwa 260 Euro vertrieben, die allerdings nicht von allen Krankenkassen erstattet werden.

Grundlage der aktuellen Studie sind Forschungen, die bis in die 1980er Jahre zurückreichen, und bei denen man versucht hat, die Krampfanfälle von Epilepsie-Patienten durch die elektrische Stimulation des Vagusnervs zu kontrollieren. Als eine Nebenwirkung dieser Therapie waren damals bei einigen Patienten weniger Schmerzen beobachtet worden. In anderen Studien bei Menschen und Tieren hatte sich vorübergehend das Gedächtnis gebessert.

Der Vagusnerv erstreckt sich vom Magen bis ins Gehirn und erreicht mit seinen vielen Verzweigungen fast alle Organe. Einige Fasern verlaufen zu dem im Hirnstamm gelegenen Locus coeruleus, der wiederum die Großhirnrinde mit dem anregenden Botenstoff Norepinephrin versorgt.

Für ihren Versuch teilten die Forscher die freiwilligen Teilnehmer in zwei Gruppen. Beide Gruppen blieben jeweils 34 Stunden wach und wurden währenddessen wiederholt auf ihre geistige Leistungsfähigkeit, Konzentration und Reaktionsgeschwindigkeit getestet, sowie außerdem nach ihrer Stimmung befragt und wie müde sie sich fühlten. Nach 12 Stunden bekamen die Probanden die Geräte und die Anweisung, sich selbst im Nacken für jeweils 8 Minuten zu stimulieren. In einer der Gruppen, die als Kontrolle diente, war das Gerät allerdings so eingestellt, dass kein Strom floss und somit auch keine Wirkung zu erwarten war.

Das Ergebnis war, dass die tatsächlich stimulierten Probanden in den Tests zur Aufmerksamkeit und zur Multi-Tasking-Fähigkeit (Air Force–Multi-Attribute Task Battery) deutlich besser abschnitten als die Scheinstimulierten. Die erste Gruppe verspürte auch weniger Fatigue und mehr Energie als die Kontrollgruppe. Am ausgeprägtesten war der Effekt am Morgen zwischen 7:00 und 10:00, etwa 13 Stunden nach der am Vorabend erfolgten Stimulation. Etwa 19 Stunden lang waren die Unterschiede zwischen den Gruppen nachweisbar, danach war die Leistungsfähigkeit wieder annähernd gleich.

Die absoluten Unterschiede waren indes nicht besonders groß: In der aktiven Gruppe nahm die Leistung um 5 Prozent ab, unter den Scheinstimulierten dagegen um 15 Prozent. In Berufen, wo Fehler durch Müdigkeit über Leben und Tod entscheiden können, oder auch für Studenten im Prüfungsstress mag der Nervenstimulator auf den ersten Blick dennoch eine verlockende Möglichkeit zur Leistungssteigerung sein. Vermutlich wird die Studie auch in militärischen Kreisen für Aufmerksamkeit sorgen, zumal es beispielsweise bei der US-Luftwaffe durchaus üblich ist, Kampfpiloten Amphetamine als Aufputschmittel zu geben. Dort wird man allerdings auch bemerkt haben, dass es keine aktive Vergleichsgruppe gab. Ob die neue Methode die Aufmerksamkeit übermüdeter Personen besser zu bewahren vermag als beispielsweise einige Tassen Kaffee ist somit noch ungeklärt.

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