Die Frage, ob Depressionen das Risiko für die Alzheimer-Krankheit erhöhen, haben US-amerikanische Forscher jetzt eindeutig mit „Ja“ beantwortet. Wie der Neuropsychologe Robert S. Wilson und sein Team vom Medizinischen Zentrum der Rush University in der Fachzeitschrift Neurology berichten, hat man die Klärung der Streitfrage vor allem 357 älteren Einwohnern des Stadtteils South Side in Chicago zu verdanken. Sie hatten an einer Langzeitstudie teilgenommen – dem Chicago Health and Aging Project – deren wichtigstes Ziel es ist, Risikofaktoren für die Alzheimer-Krankheit dingfest zu machen.
Die 357 Senioren waren ausgewählt worden, weil sie alle an Alzheimer erkrankt waren. Ein erster Blick auf die Daten bestätigte dabei, dass in dieser Gruppe etwa doppelt so viele Menschen an Depressionen litten, wie bei einer Vergleichsgruppe von Senioren, die nicht an Alzheimer erkrankt waren. Allerdings konnten die Forscher auch zeigen, dass die Häufigkeit von Depressionen unter den späteren Alzheimer-Patienten über den gesamten Studienzeitraum fast unverändert geblieben war. „Das legt nahe, dass Depressionen ein echter Risikofaktor für die Alzheimer-Erkrankung sind“, so Wilson. „Wenn Depressionen nämlich nur ein frühes Zeichen der Alzheimer-Krankheit wären, dann hätte sich die Häufigkeit der Depressionen mit dem Fortschreiten der Alzheimer-Krankheit erhöhen müssen“, erklärte der Wissenschaftler.
Wilson zieht aus seiner Studie die Lehre, dass Depressionen eben nicht als ein unvermeidlicher Bestandteil der Alzheimer-Krankheit betrachtet werden sollten. „Wenn aber ein Alzheimer-Patient Depresionen hat, sollten dies auch behandelt werden.“ Für die Forscher der Rush University sind damit noch längst nicht alle Fragen beantwortet. Als nächstes wolle man klären, warum Depressionen das Alzheimer-Risiko erhöhen. Denkbar sind mehrere Ursachen. Zum einen haben Neurowissenschaftler bereits vor mehreren Jahren beobachtet, dass Depressionen zum Zellverlust in bestimmten Hirnregionen führen. Besonders stark betroffen ist davon der Hippocampus, eine Struktur die für das Abspeichern von Gedächtnisinhalten von zentraler Bedeutung ist. Möglich ist es aber auch, dass depressive Menschen deshalb häufiger an Alzheimer erkranken, weil sie weniger soziale Kontakte haben. Ein großer Freundes- und Bekanntenkreis und die aktive Teilnahme am gesellschaftlichen Leben haben sich nämlich in jüngster Zeit als mögliche Schutzfaktoren erwiesen, die das Risiko für den Gedächtnisschwund verringern könnten.
Quellen:
- die zitierte Studie war bei online-Stellung dieses Textes noch nicht öffentlich zugänglich. Am besten, Sie suchen in der Fachzeitschrift Neurology nach dem Autor Robert S. Wilson.
- Bienias JL et al. Design of the Chicago Health and Aging Project (CHAP). J Alzheimers Dis. 2003 Oct;5(5):349-55.
Weitere Informationen:
- Die Deutsche-Senioren-Liga erklärt, warum Alzheimer und Depressionen oft nur schwer zu unterscheiden sind.
- Bei Lifeline.de fand ich einen nützlichen Artikel über die Begleiterkrankungen bei Alzheimer und wie man sie behandelt.
- Alle Artikel zum Thema Alzheimer bei Simmformation