US-Kids nutzen Medien fast acht Stunden täglich

US-amerikanische Kinder und Jugendliche verbringen durchschnittlich sieben Stunden und 38 Minuten pro Tag vor dem Fernseher, mit Videospielen oder beim surfen im Internet. In den vergangenen fünf Jahren habe der Medienkonsum um 1 Stunde und 17 Minuten zugenommen und ist nun auf einem neuen Rekordhoch angelangt heißt es in einem Bericht der Kaiser Family Foundation. Befragt wurden für den Bericht 2000 Kinder und Jugendliche zwischen 8 und 18 Jahren.

Wie Victoria Rideout, eine der Autorinnen des Berichtes vorrechnet, liegt die Zeit für den Medienkonsum dieser Mädchen und Jungen mit 53 Stunden pro Woche erheblich über dem, was berufstätige Erwachsene mit Arbeit verbringen. Weil die Kinder oftmals mehr als ein Medium gleichzeitig nutzen, schaffen sie es sogar, täglich den Gegenwert von zehn Stunden und 45 Minuten an Inhalten zu konsumieren. Diese Zahlen beinhalten ausschließlich den Gebrauch von Medien zur Unterhaltung. Nicht eingeschlossen wurde beispielsweise die Zeit am Handy, in der tatsächlich telefoniert wurde sowie die Nutzung von Computern für die Schularbeiten.

Zu der Entwicklung beigetragen habe wohl auch die explosionsartige Vermehrung von Handys, iPods und ähnlichen Geräten, vermutet Rideout. Während im Jahr 2004 „nur“ 39 Prozent der US-Kids ein Handy besaßen, sind es mittlerweile 66 Prozent, also zwei Drittel. Gleichzeitig erhöhte sich der Anteil der Jugendlichen mit MP3-Spielern von 18 auf 76 Prozent. Mit 49 gegenüber 33 Minuten wird dem Bericht zufolge mit den Handys auch deutlich mehr gespielt und Musik gehört, als telefoniert. Auch Fernsehgeräte prägen weiterhin den Alltag. Sie laufen bei 64 Prozent aller amerikanischen Familien auch während der Mahlzeiten und sind in 45 Prozent der Haushalte „fast die ganze Zeit“ angeschaltet – auch wenn niemand die Sendungen verfolgt. Zusätzlich zu den Geräten im Wohnzimmer stehen Fernseher in 71 Prozent aller Kinderzimmer.

Obwohl die US-Kids nach wie vor etwa 25 Minuten täglich damit verbringen, Bücher zu lesen, scheinen Zeitschriften und Tageszeitungen immer weniger zu interessieren. Binnen fünf Jahren sank die für Zeitschriften aufgebrachte Zeit von 14 auf 9 Minuten täglich. Für Tageszeitungen halbierte sich dieser Wert im gleichen Zeitraum von sechs auf drei Minuten. Dass die Kinder und Jugendlichen nunmehr zwei Minuten täglich Zeitungen und Zeitschriften online lesen, konnte den Rückgang in der Lesebilanz nicht ausgleichen.

Viel lieber verbringen die Heranwachsenden ihre Online-Zeit mit YouTube. Die Webseite, auf der man fremde Videos anschauen und eigene präsentieren kann, besuchen typische US-amerikanische Jugendliche 15 Minuten am Tag. Noch lieber tummeln sie sich aber in Facebook und anderen sozialen Netzwerken. Drei Viertel der Schüler in den Klassen sieben bis zwölf haben dort ein Profil mit persönlichen Daten angelegt, fanden die Forscher heraus.

Ob der Medienkonsum zu schlechteren Schulnoten führt, lassen die Autoren des Berichtes offen. Allerdings bemerken sie, dass unter jenem Fünftel der Kinder mit heftigem Mediengebrauch (mehr als 16 Stunden pro Tag) beinahe die Hälfte schlechte Schulnoten hatte. Unter den Kindern mit weniger als drei Stunden täglichem Mediengebrauch betrug der Anteil mit schlechten Schulnoten dagegen nur 23 Prozent – also weniger als ein Viertel.

Im Vergleich zu den USA, wo die Kaiser Family Foundation nunmehr schon den dritten umfassenden Bericht zur Mediennutzung Jugendlicher vorgelegt hat, sind die Daten für Deutschland eher lückenhaft. Aus einer Übersicht der Hessischen Landesstelle für Suchtgefahren kann man jedoch auf eine Fernsehzeit von täglich etwa drei Stunden schließen. Forscher der Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Universität Mainz haben zudem kürzlich 256 Schüler im Saarland befragt und dabei festgestellt, dass diese Werktags durchschnittlich 3,2 Stunden aktiv im Internet verbrachten, an den Wochenenden waren es sogar 4,3 Stunden.

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Handystrahlung „schützt Mäuse vor Alzheimer“

Käme die Nachricht nicht aus dem Labor eines angesehenen Forschers, wäre ein Stirnrunzeln sicher angebracht. Doch Gary Arendash von der Universität Südflorida in Tampa hat sich intensiv mit vielen Aspekten der Alzheimer-Krankheit befasst. Auf bald 90 wissenschaftliche Veröffentlichungen in mehr als 30 Jahren kann der Professor am Alzheimer´s Disease Research Center verweisen – der Mann ist also kein Bluffer und auch keine Eintagsfliege. Wie alle seiner Studien hat Arendash auch die jüngste Forschungsarbeit nicht mit menschlichen Patienten durchgeführt, sondern „nur“ mit Labormäusen. Die meisten davon waren allerdings genetisch veränderte Tiere, die als Modell für die Alzheimer-Erkrankung beim Menschen dienen.

Überraschter Forscher: Gary Arendash (Foto und (c) University of South Florida)

„Überrascht haben wir festgestellt, dass Handystrahlung ab dem frühen Erwachsenenalter das Gedächtnis dieser Mäuse geschützt hat, die ansonsten die Symptome der Alzheimer-Erkrankung bekommen hätten“, fasst Arendash das Ergebnis zusammen. „Noch überraschender war es, dass die von den Handys ausgesandten elektromagnetischen Wellen auch bei bereits erkrankten, alten Mäusen Gedächtnisstörungen rückgängig machen konnten.“

Natürlich telefonierten die Mäuse nicht wirklich. Vielmehr platzierten die Forscher inmitten der Käfige eine Antenne und stellten deren Strahlungsstärke so ein, dass die Gehirne der Mäuse ähnlich viel Energie ab bekamen, wie das Gehirn eines Menschen, der ein Mobiltelefon benutzt. Sieben bis neun Monate lang wurde die Mäuse dann an jedem Tag zwei Mal für jeweils eine Stunde bestrahlt. Bei Mäusen, die genetisch darauf programmiert waren, im Alter Gedächtnisstörungen zu bekommen, konnten die Forscher diese Entwicklung mit der Bestrahlung verhindern. Bei verschiedenen Tests zeigten diese Tiere ähnlich gute Denkleistungen wie eine Gruppe genetisch unveränderter Mäuse, die den Forschern als Vergleich dienten. Bestrahlte man normale Mäuse mehrere Monate lang, so schnitten sie in Gedächtnistests sogar besser ab als normale, unbestrahlte Mäuse. Und bei alten „Alzheimer-Mäusen“, deren Gedächtnis bereits Schaden erlitten hatte, verschwanden die Probleme durch die Strahlung wieder.

Eine Sendeantenne inmitten von Mäusekäfigen (Foto und (c) University of South Florida)

Um heraus zu finden, was die Handystrahlung im Kopf der Tiere bewirkte, opferten die Wissenschaftler die Labormäuse nach den Tests und fertigten Hirnschnitte an, die sie unter dem Mikroskop betrachteten. Dabei zeigten unbestrahlte, alte Kontrolltiere wie erwartet jene charakteristischen Ablagerungen im Gehirn, die auch bei menschlichen Alzheimer-Patienten zu finden sind. Bei den bestrahlten Tieren dagegen waren diese Ablagerungen weitgehend verschwunden.

Aus diesen „viel versprechenden und unerwarteten“ Ergebnissen schließen Arendash und dessen Kollegen nun, dass „die Anwendung elektromagnetische Felder eine effektive Möglichkeit sein könnte, um die Alzheimer-Krankheit beim Menschen ohne medizinische Engriffe und ohne Medikamente zu verhindern und zu behandeln.“ Man erprobe derzeit elektromagnetische Felder mit unterschiedlichen Stärken und Frequenzen um herauszufinden, ob die Denkleistung sich damit noch stärker und schneller verbessern ließe. „Wenn wir die besten Einstellungen herausfinden, um die Ablagerungen im Gehirn zu verhindern oder zu entfernen, ließe sich diese Technik schnell auf Alzheimer-Patienten übertragen“, sagte Chuanhai Cao, der neben Arendash maßgeblich an der Untersuchung beteiligt war.

Dass die Hirntemperatur bei den Alzheimer-Mäuse nach mehrmonatiger Behandlung in den Bestrahlungszeiten leicht erhöht war, scheint die Wissenschaftler nicht zu beunruhigen. Im Gegenteil spekulieren sie, dass diese Temperaturerhöhung eher nützlich gewesen sei, um neue Ablagerungen – so genannte amyloide Plaques – zu verhindern. Die durch Handy-Strahlung verbesserte Denkleistung gesunder Tiere führten sie auf eine gesteigerte Hirnaktivität zurück, ausgelöst durch einen besseren Blutfluss und höheren Energieverbrauch. „Unsere Studie erbringt Beweise dafür, dass der langfristige Gebrauch von Handys dem Gehirn nicht schadet“, sagte Cao. „Im Gegenteil könnten die von Mobiltelefonen abgestrahlten elektromagnetischen Wellen sogar das normale Gedächntis verbessern und eine wirksame Therapie gegen Gedächtnisstörungen sein“, behauptete der Wissenschaftler.

Mit der neuen Studie dürfte Arendash binnen eines halben Jahres bereits zum zweiten Mal für Schlagzeilen sorgen. Erst im vergangenen Juli hatte der Forscher seine Kollegen mit der Nachricht überrascht, dass Koffein womöglich vor Alzheimer schützt (Bericht dazu). Obwohl auch diese Studie nur an Labormäusen durchgeführt wurde, outete Arendash sich kurz darauf gegenüber Journalisten als fleißiger Kaffeetrinker, der nach seiner Entdeckung die tägliche Dosis auf nunmehr fünf Tassen des schwarzen Gebräus erhöht habe. Ob Arendash im Lichte seiner neuen Studie jetzt auch zwei Mal täglich eine Stunde mit dem Handy telefoniert, hat er nicht verraten. Den immer wieder geäußerten Verdacht, dies könne das Risiko für Hirntumoren erhöhen, hält Arendash jedenfalls für unbegründet. Sowohl die Weltgesundheitsorganisation, als auch die US-amerikanische Krebsgesellschaft und die Nationalen Gesundheitsinstitute der USA (NIH) sind nämlich zu dem Schluss gekommen, dass es bisher keine wissenschaftlichen Beweise für Gesundheitsschäden durch den Gebrauch von Handys gibt, betont er. Auch bei seinen Versuchsmäusen habe sein Team nach mehreren Monaten keinerlei Hinweise auf abnormales Wachstum im Gehirn oder in anderen Organen beobachtet.

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Kombinationstherapie gegen Alzheimer in Sicht?

Vorläufig sind es nur alte Labormäuse, deren Gedächtnis eine neuartige Behandlungsstrategie auf die Sprünge geholfen hat. Dennoch könnten die Versuche von Vivian W. Chow, Philip C. Wong und deren Kollegen an der Johns Hopkins School of Medicine im US-amerikanischen Baltimore wegweisend sein für die zukünftige Behandlung der Alzheimer-Krankheit beim Menschen. Hier gibt es zwar eine Handvoll Medikamente, welche die Symptome des Leidens bekämpfen und die beispielsweise die Einweisung in ein Pflegeheim für viele Patienten verzögern können. Dennoch gehen die heute verfügbaren Arzneien nicht an die Wurzel des Übels: Ablagerungen bestimmter Eiweißbruchstücke (Plaques), die sich im Laufe von Jahrzehnten ansammeln und die nach Meinung der meisten Wissenschaftler für den Tod der Nervenzellen bei der Alzheimer-Krankheit verantwortlich sind.

Nun ist es zwar in den vergangenen Jahren gelungen, gezielt gleich mehrere Gruppen von Arzneimittelkandidaten zu entwickeln, welche die Entstehung neuer Plaques verhindern und die alte Plaques auflösen können. Viele dieser Stoffe erwiesen sich jedoch im Tierversuch als zu gefährlich. Hemmt man beispielsweise zu stark das Enzym Beta-Sekretase, das an der Plaquebildung maßgeblich beteiligt ist, so stört dies die Funktion der Nervenzellen und Mäuse zeigen Verhaltensweisen, die einer Schizophrenie beim Menschen ähneln.  Blockiert man dagegen ein zweites Schlüsselenzym, die Gamma-Sekretase, so zeigen die Tiere Entwicklungsstörungen, viele bekommen Hautkrebs und sie sterben im Durchschnitt früher als unbehandelte Artgenossen.

Angesichts dieser Komplikationen erprobten die Forscher nun unter der Leitung von Donald Price eine Strategie, um mögliche Nebenwirkungen zu verringern: Durch genetische Tricks verringerten sie geringfügig die Aktivität sowohl der Beta-Sekretase als auch der Gamma-Sekretase und reduzierten dadurch wie erhofft recht deutlich die Ablagerungen im Gehirn der Tiere, ohne die gefürchteten Nebenwirkungen hervor zu rufen. Die Lebensspanne der Versuchstiere war unverändert, sie entwickelten keine Tumoren oder sonstigen Abnormalitäten. Die Behandlung schien lediglich eine leichte  Veränderung im Durchmesser des Sehnerves hervor zu rufen, die jedoch als wenig bedenklich eingestuft wurde.

Dass die Kombinationsstrategie nicht nur gut verträglich war, sondern auch das Gedächtnis der Tiere verbesserte konnten die Wissenschaftler in einem Standardtest zeigen. Die genetisch manipulierten Tiere konnten sich dabei deutlich besser an einmal gemerkte Plätze erinnern als unbehandelte Artgenossen. „Zusammen gefasst unterstützen diese Ergebnisse die Idee, dass eine geringfügige Hemmung von Beta-Sekretase und Gamma-Sekretase das Gehirn besser schützt und gleichzeitig Nebenwirkungen verringert“, schreiben die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift Science Translational Medicine. Eine gegen die Plaques gerichtete Kombinationstherapie könne deshalb „nützlich zur Vorbeugung und / oder Behandlung der Alzheimer-Krankheit sein.“

Quelle:

  • Chow, VW et al. Modeling an Anti-Amyloid Combination Therapy for Alzheimer´s Disease. Science Translational Medicine 2(13)1-12. Jan 6 2010.
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Kein Wunschdenken: Alter Körper – frischer Geist

Wer so wie ich ständig über Alzheimer und anderer Gedächtniskrankheiten (Demenzen) schreibt, könnte leicht verzweifeln: Fast jede Veröffentlichung zu diesem Thema verweist auf die mehr als eine Million alter Menschen, die bereits heute in Deutschland an Alzheimer leiden. Ohne einen echten Durchbruch bei der Entwicklung neuer Arzneien sagen Statistiker eine Verdoppelung dieser Zahl in naher Zukunft voraus. Und schon bei meiner ersten Geschichte zu diesem Thema (vor nunmehr 20 Jahren) sagte mir der damals hierzulande führende Forscher, Professor Konrad Beyreuther, resignierend: „Wenn wir alt genug werden, kriegen wir alle Alzheimer“. Da kommt mir eine Geschichte mit dem Titel „Alter Köper – frischer Geist“ gerade recht, die ich dem Magazin amPuls Online der Universität Freiburg entnehme. Vier von fünf Senioren beiben demnach von der gefürchteten Krankheit verschont.

Professor Michael Hüll, Demenz-Experte am dortigen Klinikum sieht die Sache positiv und betont: Das Nachlassen des Gedächtnisses jenseits der 60 muss nicht sein. Bei bestimmten Fähigkeiten nimmt die Leistung sogar zu. „80 Prozent der über 80-jährigen haben keine Demenz“, sagt Hüll, Demenz-Experte des Universitätsklinikums Freiburg, wenn er auf die Gefahren der Altersdemenz angesprochen wird. Keinesfalls will er, dass diese ernsthafte Krankheit unterschätzt wird.

Doch vier von fünf Menschen werden im hohen Alter keine größeren Probleme mit dem Merken von Neuem, Erinnern von Erlebtem und Wiedererkennen vertrauter Gesichter haben. „Beim normalen Altern verliert der Mensch keine Nervenzellen“, sagt der Leiter der Sprechstunde für Gedächtnisstörungen. Die Zusammenhänge zwischen Alter und Gedächtnis seien nämlich weniger beunruhigend, aber deutlich komplizierter, als allgemein angenommen. Mit dem Alter macht der Körper Veränderungen durch, die sich auf manche Fähigkeiten positiv, auf andere negativ auswirken. So sind Sportler in den meisten Disziplinen mit 25, spätestens 30 Jahren auf dem Höhepunkt ihrer Karriere.

Danach nehmen Kraft und Ausdauer aber auch die Reaktionsgeschwindigkeit nachweisbar ab. „Wenn Michael Schuhmacher mit 40 Jahren doch nicht wieder Rennen fahren will, wird das auch an seiner Reaktionsfähigkeit liegen“, ist sich Gedächtnis-Experte Hüll sicher. Während die Fähigkeit zu hören und zu sehen abnimmt, können wir nicht mehr so schnell so viele Informationen aufnehmen und verarbeiten wie in jungen Jahren. Die Folge: Das Gehirn hat es schwerer, die zum Teil unvollständigen Informationen zu verarbeiten. Der Mensch reagiert langsamer, braucht mehr Zeit um Sachverhalte zu erkennen – er wird aber nicht unbedingt vergesslicher.

Der Versuch einem Gespräch zu folgen kann zum Beispiel schlicht am schlechten Hören scheitern. Beobachter denken hingegen, dass viele Einzelheiten vergessen wurden. „Große Schriftsteller haben ihre besten Werke meistens im Alter geschrieben“, nennt Hüll den Gegenpol zur abnehmenden körperlichen Leistungsfähigkeit. Während diese sinkt, und mit ihr die Möglichkeit Informationen schnell zu verarbeiten, reifen im Alter soziale Fähigkeiten und das Verständnis für Zusammenhänge erst richtig heran.

Altersweisheit ist daher kein bloßes Gerücht. „Welt- und Erfahrungswissen können zusammen mit einer zunehmenden sprachlichen Gewandtheit die Abnahme unserer Verarbeitungsgeschwindigkeit kompensieren“, ist sich der Experte sicher. Bei der Frage, wie sich das Gehirn nun bis ins hohe Alter fit halten lässt, scheiden sich jedoch die Geister. Ein Patentrezept gibt es ohne Zweifel nicht. Dafür mehren sich Hinweise, was sich positiv auf die Gedächtnisleistung auswirken kann. „Das Gehirn lässt sich nicht trainieren wie ein Muskel“, sagt Experte Hüll. Aber vielfältige Anregungen von Geburt an steigern sehr wahrscheinlich die Chance, auch im hohen Alter geistig fit zu sein. Viele Sozialkontakte und vielfältige Interessen halten das Denkorgan am Laufen.

Die besten Grundlagen für die „graue Masse“ legen sich dabei in jungen Jahren: „Eine gute schulische und berufliche Ausbildung gibt Hirnreserven im Alter“, so Hüll. Auch wichtig: Es gibt Hinweise, dass die sogenannte „mediterrane Ernährung“ mit wenig Fleisch und regelmäßigem Fischkonsum sich auf den Erhalt unseres Denk-Organs auswirkt. Andererseits gibt es Faktoren, die die Wahrscheinlichkeit einer Demenz steigern. Wenig körperliche Bewegung, einseitige Ernährung oder Depressionen mitsamt sozialer Zurückgezogenheit gelten unter Experten als Risiko-Faktoren. Die meisten dieser Faktoren lassen sich durch unsere Lebensführung beeinflussen. Eine Garantie gegen Alzheimer ist das sicher nicht, aber doch ein erneuter handfester Hinweis, dass jeder selbst etwas tun kann, um seine Gefährdung zu verringern.

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Depression – Das heimliche Leiden

Robert Enke ist tot und ungezählte Fans sind ebenso fassungslos wie die Familie, Freunde, Nachbarn und Kollegen des deutschen Fußballnationaltorwarts. Dass ein körperlich gesunder Mensch mit 32 Jahren seinem Leben ein Ende bereitet, ist für die meisten unerklärlich – zu weit weg sind sie von jenen düsteren Geisteswelten in denen so viele Depressive gefangen sind. Mein Mitgefühl, aber auch meine Bewunderung gilt Teresa Enke, die den Mut hatte, auf einer Pressekonferenz im Detail über jenes grausame Gedanken-Gefängnis zu berichten, in dem ihr Mann so lange eingesperrt war. Denn noch immer ist die Depression – wie die meisten „Geisteskrankheiten“ – von Mauern des Schweigens und des Unverständnis umgeben. Es sind diese Mauern, hinter denen die „Seelenfinsternis“ wachsen kann. Dank Teresa Enke werden viele nun genauer hinschauen.

Je früher die versteckte Volkskrankheit erkannt wird, umso besser stehen die Chancen auf eine erfolgreiche Behandlung, betont Professor Mathias Berger, Ärztlicher Direktor der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie des Uniklinikums Freiburg. „Wichtig ist, dass die Depression vom behandelnden Arzt schnellstmöglich erkannt wird, um eine speziell auf den Patienten zugeschnittene Therapie beginnen zu können“, denn „wurde die richtige Diagnose einmal gestellt, kann 80 Prozent der Erkrankten in einem überschaubaren Zeitraum entscheidend geholfen werden“, sagt Berger in amPuls-online, einer Veröffentlichung der Uniklinik Freiburg.

Dort wird auch auf Zahlen der Weltgesundheitsorganisation verwiesen, wonach Depressionen die häufigste Ursache sind für „durch eine gesundheitliche Behinderung gravierend beeinträchtigten Lebensjahre.“ Laut den deutschen Rentenversicherern zählen Depressionen zu den wichtigsten Ursachen für Krankschreibungen und Berentungen – mit steigender Tendenz. Depressionen können in jedem Lebensalter auftreten. Die erschreckend hohe Suizidrate von 15 Prozent bei schwer erkrankten depressiven Langzeitpatienten, unterstreicht die Wichtigkeit einer frühzeitigen Therapie. Unwissenheit, Verdrängung oder Schamgefühle hindern jedoch oft Betroffene daran, sich der Umwelt zu öffnen oder einen Arzt aufzusuchen.

Ein Nadelöhr beim Aufspüren der heimlichen Krankheit sind offensichtlich die Hausärzte, schließe ich aus einer Studie der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie des Uniklinikums Freiburg. Die ergab nämlich, dass eine entsprechende Schulung von Hausärzten die Erkennungsrate bei Depressionen auf 70 Prozent verdoppelte. Anders gesagt übersehen selbst Hausärzte zwei von drei Depressionen. Dabei ist Schnelligkeit entscheidend, denn „je weniger Krankheitsepisoden der Patient bis zum Beginn einer Therapie durchlebt hat, desto besser ist die langfristige Prognose“, so Berger.

Die genaue Grundlage der Depression ist noch nicht ausgemacht, heißt es bei amPuls-online. Einigkeit besteht jedoch bereits darüber, dass es kein einzelnes Depressionsgen gibt. Familien- und Zwillingsstudien belegen zwar eine genetische Veranlagung zur Depression. Die Zwillingsstudien zeigen auch, dass die Gene nur ein Teilfaktor sind. Selbst bei eineiigen Zwillingen erkrankt der Zwillingspartner nur in etwa mehr als der Hälfte der Fälle. Zu bedenken sei, dass zwischen genetischen Faktoren und sozialen Umweltfaktoren komplizierte Wechselbedingungen bestehen.

Der zweite Faktor für ein erhöhtes Erkrankungsrisiko sind belastende Erfahrungen in der Kindheit. Bei genetisch oder durch eine schlimme Kindheit vorbelasteten Patienten genügen oft schon kleine Auslöser, wie ein Zeitzonen- oder Jahreszeitenwechsel, um die Depression auszulösen. Dies kann auch Berger bestätigen: „Tatsächlich verzeichnen wir in Frühling und Herbst die meisten Depressionserkrankungen.“

Der Einsatz von so genannten Antidepressiva sei heute nicht mehr so umstritten wie vor einigen Jahren, berichtet der Psychiater. Diese Medikamente sollen die Stimmung aufhellen, den inneren Antrieb normalisieren und so gleichzeitig die körperlichen Beschwerden wie Rückenschmerzen und Schlaflosigkeit verringern. Sie wirken gezielt auf die Übertragung der Nervenimpulse im Gehirn. „Antidepressiva lösen bei einigen Patienten und ihren Angehörigen Bedenken aus“, weiß Berger, und urteilt: „Die Nebenwirkungen sind bei den heutigen Medikamenten meist gering, eine Suchtgefahr besteht nicht.“ Unabdingbar sei in der Regel eine begleitende psychotherapeutische Behandlung. Solch eine Psychotherapie bezieht das soziale Umfeld der Patienten mit ein und versucht, seelische Belastungen in alltäglichen Situationen Schritt für Schritt abzubauen. Kritische und krankheitsverursachende Lebenssituationen sollen dabei bearbeitet werden und gemeinsam mit dem Patienten probt der Therapeut, den Umgang mit schwierigen emotionalen Situatonen und vermittelt ein positives Selbstbild.

Weitere Informationen:

  • Das Heft Depressionen überwinden der Stiftung Warentest beschreibt ausführlich den Stand des Wissens über Depressionen und deren Behandlungsmöglichkeiten.
  • Seelenfinsternis heißt das Buch eines holländischen Psychiaters. Die einfühlsame Autobiographie hilft, depressive Menschen besser zu verstehen.
  • Zwei Bücher, die sich kritisch mit den gesellschaftlichen Hintergründen von Depressionen und dem möglichen Missbrauch von Medikamenten auseinandersetzten, sind Verdammt schöne Welt von Elisabeth Wurztel (im englischen Original Prozac Nation) sowie die überarbeitete Fassung des Klassikes Listening to Prozac von Peter D. Kramer. Leider scheint es dazu keine aktualisierte deutschsprachige Ausgabe zu geben, sondern lediglich die 1995 erschienene Übersetzung Glück auf Rezept
  • Das Deutsche Bündnis gegen Depression entstand aus einem Forschungsprojekt, dem Kompetenznetz Depression. Auf den Webseiten gibt es ein eindrückliches Informationsvideo, ein Forum sowie zahlreiche Fakten für Betroffene und Angehörige.
  • Nein, ich schäme mich nicht für eine Broschüre mit dem Titel „Zurück ins Leben“, die ich im Jahr 2003 für den Verband forschender Arzneimittelhersteller erstellt habe.
  • “Es ist, als ob die Seele unwohl wäre”, heißt eine umfangreiche und sehr lesenswerte Broschüre, die meine Kollegin Claudia Eberhardt-Metzger im Auftrag des Bundesforschungsminsteriums erstellt hat. Sie kann auf der Seite http://www.bmbf.de/publikationen/2705.php bestellt werden oder Sie können die Publikation direkt im pdf-Format herunterladen (ca. 1,5 MB)
  • Immer noch lesenswert: Das Stern-Extra „Blick in die Seele“
  • In einem Artikel für den Gesundheitsdienst Netdoktor.de erläutert einer der führenden Fachleute, Professor Ulrich Hegerl, Wissenswertes zur Depression. Dort finden sich auch Informationen zu den verschiedenen Arzneimitteln gegen die Krankheit.
  • Das Onlineportal Denke positiv, welches von der Pharmafirma Wyeth “unterstützt” wird, informiert multimedial über Depressionen und Angsterkrankungen. Auch das Unternehmen Lundbeck unterhält eine eigene Website mit brauchbaren Informationen und Services zur Depression und anderen Erkrankungen des Gehirns.
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Gentherapie stoppt schwere Hirnerkrankung

Französische, deutsche und amerikanische Wissenschaftler haben womöglich einen Durchbruch in der Gentherapie erzielt. Durch die Transplantation gentechnisch veränderter Blutstammzellen ist es ihnen bei zwei siebenjährigen Jungen gelungen, eine fatale erbliche Erkrankung des Gehirns aufzuhalten – die Adrenoleukodystrophie (ALD). Auf einer Pressekonferenz in Paris verkündeten die Wissenschaftler gestern ihren Erfolg; heute veröffentlichte die Fachzeitschrift Science dann Details zu dem gelungen Versuch. Demnach haben die Forscher den zwei Buben vor mehr als zwei Jahren zunächst defekte Blutstammzellen entnommen und diesen Zellen dann mithilfe eines „umgebauten“ Virus gezielt ein Gen hinzugefügt. Anschließend hatten Ärzte die schadhaften blutbildenden Zellen im Körper der Kinder mit Medikamenten ausgemerzt. Im letzten Schritt erhielten die beiden Jungs dann mit einer Infusion die gentechnisch reparierten Zellen aus dem Labor zurück in den Körper, wo sie sich vermehrten und den Krankheitsprozess zum Stillstand brachten.

Schema zur Gentherapie gegen Adrenoleukodystrophie (Grafik mit freundlicher Genehmigung von Patrick Aubourg)

Schema zur Gentherapie gegen Adrenoleukodystrophie (Grafik mit freundlicher Genehmigung von Patrick Aubourg)

Zum Beweis präsentierten die Forscher Aufnahmen von den Gehirnen der beiden Jungs, die vor und nach dem Eingriff mit einem Kernspintomographen aufgenommen wurden. Sie zeigen, dass der für die ALD typische Verlust der lebenswichtigen „Isolierungsschicht“ (Myelinscheide) um die Nerven bald nach der Gentherapie zum Stillstand kam. Im Vergleich dazu zeigen die Aufnahmen eines unbehandelten Achtjährigen, dass die Schäden sich dort wie bei einem Flächenbrand fast über das gesamte Gehirn ausbreiteten. Auch die neurologische Untersuchung bestätigt den Erfolg der Gentherapie: Während vier unbehandelte Kinder zwei Jahre nach Ausbruch der ALD gelähmt, stumm und blind waren, seien die geistigen und körperlichen Funktionen des einen Gentherapie-Empfängers bis auf eine Sehstörung normal und unverändert geblieben. Der zweite Junge, dem man die genmanipulierten Zellen verabreicht hatte, behielt ebenfalls sein Sprachvermögen. Seine körperliche Leistungsfähigkeit ging zwar auf einer Skala von ursprünglich 99 auf 74 Punkte zurück, blieb aber von da an stabil.

Die einzige Möglichkeit, die ALD zu stoppen war bisher eine Knochenmarktransplantation. Allerdings ist dieser radikale Eingriff mit einem Sterberisiko von fünf bis 20 Prozent äußerst riskant und außerdem nur in jenen Fällen möglich, wo auch ein geeigneter Spender zur Verfügung steht. Dies war bei den beiden Jungen, an denen die Gentherapie der ADL erstmals erprobt wurde, nicht der Fall. Umso mehr freute sich der leitende Arzt des internationalen Forscherteams, Patrick Aubourg: „Dies ist das erste Mal, dass wir solch eine Gen-Fähre erfolgreich beim Menschen benutzt haben und es ist auch das erste Mal, dass eine sehr schwere Erkrankung des Gehirns mittels Gentherapie wirksam behandelt wurde“, sagte der Professor für Kinderheilkunde an der Universität Paris-Descartes. Etwa 35 Babies pro Jahr werden in Frankreich mit ADL geboren, in Deutschland sind es schätzungsweise 40.

An der Entwicklung der Genfähre, auf die Aubourg viele Jahre lang gehofft hat, waren deutsche Wissenschaftler vom Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen in Heidelberg maßgeblich beteiligt, darunter auch der Sprecher des Direktoriums, Professor Christof von Kalle. In einem Video-Interview erinnerte der Mediziner daran, dass ein früher Versuch, Stammzellen des Blutes mit gentechnisch veränderten Retroviren „umzuprogrammieren“ schwere Nebenwirkungen hervorgerufen hatte. Zwar konnte damals bei zehn von elf Kindern die bislang unheilbare Immunschwäche X-SCID besiegt werden, allerdings hatten mehrere Kinder Jahre später einen Blutkrebs (Leukämie) entwickelt. Für die Therapie der ALD hatten die Heidelberger Forscher deshalb Gensequenzen aus einem anderen Virus genutzt – und zwar aus dem menschlichen Immunschwächevirus HIV. Dass ausgerechnet der Aids-Erreger das geeignete Rohmaterial für eine Gentherapie des Gehirns liefern sollte, mag Laien verrückt erscheinen, doch scheint die Rechnung aufzugehen.

„Dies ist die erste Machbarkeitsstudie, die zeigt, dass auf der Basis von Aids-Viren konstruierte Genfähren für therapeutische Zwecke beim Menschen genutzt werden können“, so von Kalle. Die Krankheit könne gestoppt und der Schaden repariert werden und man hoffe, damit langfristig auch einen Ausblick auf eine mögliche Heilung der ALD zu schaffen. Nun gelte es, diese Technik weiter zu entwickeln, damit auch andere Gendefekte damit korrigiert werden können.

Dass auch die neue Therapie trotz etlicher Vorsichtsmaßnahmen nicht ohne Risiko ist, gab indes der Franzose Aubourg zu bedenken: Obwohl die Konstruktion der Genfähre die Patienten weniger anfällig mache für Nebenwirkungen könne im schlimmsten Fall nicht ausgeschlossen werden, dass die Biologie der manipulierten Blutzellen gestört werde. „Es gibt noch viel zu tun, um diese Form der Gentherapie wirksamer, einfacher und billiger zu machen“, sagte Aubourg. „Dies ist nur der Anfang.“

Hintergrund: Lorenzos Öl und die Adrenoleukodystrophie

Die Adrenoleukodystrophie (ALD) ist eine seltene Erbkrankheit, die zum Verlust der lebenswichtigen „Isolierungsschicht“ (Myelinscheide) um die Nerven führt und damit zu einer Art „Kurzschluss“ des Gehirns. Bekannt wurde das Leiden durch den Film „Lorenzos Öl“, in dem die Geschichte von Lorenzo Odone erzählt wird, der im Alter von sechs Jahren mit ADL diagnostiziert wurde. Lorenzos verzweifelte Eltern hatten daraufhin auf eigene Faust ein Heilmittel gesucht und glaubten dies auch mit einer speziellen Mischung zweier Öle gefunden zu haben. Tatsächlich überlebte Lorenzo ungewöhnlich lange und starb erst mit 30 Jahren. Bei vielen anderen Kindern blieb Lorenzos Öl indes erfolglos, Experten sind überwiegend skeptisch und unerwähnt bleibt meistens auch, dass Lorenzo selbst seit seinem 15 Lebensjahr gelähmt und schwerst behindert war.

Quellen:

Weitere Informationen:

  • Der Bundesverein Leukodystrophie informiert Betroffene und Angehörige. Auch im Myelin-Projekt Deutschland haben sich Menschen zusammen gefunden, die an Entmarkungskrankheiten wie Multipler Sklerose oder Leukodystrophie leiden. Ebenso wie das amerikanische Vorbild, das Myelin-Project wirbt man auch für Spenden um die Forschung voran zu bringen, bei denen die „Isolierschicht“ der Nerven (das Myelin) zerstört wird. Gegründet wurde diese Organisation von Augusto und Michaela Odono, deren Suche nach einem Heilmittel für ihren Sohn Lorenzo die Vorlage für den Film Lorenzos Öl lieferte.
  • Gentherapie: Nebenwirkung Krebs. Ein Artikel von Focus-Redakteurin Claudia Gottschling über den ernüchternden Ausgang einer Studie, bei der elf Kinder mit einer seltenen Immunschwäche zunächst erfolgreich behandelt worden waren.
  • Lorenzos Öl – die vollständige Geschichte hieß ein Beitrag der BBC, der die Legende von einem Heilmittel gegen ALD in Zweifel zieht (auf englisch)
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Hirnscans zeigen das Kühlsystem im Kopf

Jeder kennt sie, die faszinierenden bunten Bilder von der „Aktivität“ unseres Denkorgans. Doch was genau mit der zugrunde liegenden Methode der funktionellen Kernspintomographie (fMRI, auch Kernspinresonanz genannt) dargestellt wird, ist unter Experten umstritten. Nun glauben japanische Hirnforscher, das Rätsel gelöst zu haben: Dort, wo der Computer Hirnregionen in rot oder anderen warmen Farbtönen darstellt, fließt besonders viel Blut, weil dort die Wärme abgeleitet werden muss, die von aktiven Nervenzellen produziert wird, schließen die Professoren Tsutomu Nakada und Kiyotaka Suzuki von der japanischen Niigata-Universität aus Modellrechnungen, die sie kürzlich auf einem Fachkongress in Chicago vorgestellt haben.

Hirnaktivität beim Tippen mit dem linken Zeigefinger (Foto: Wikipedia)

Hirnaktivität beim Tippen mit dem linken Zeigefinger (Foto: Wikipedia)

„Was immer wir tun erfordert Arbeit vom Gehirn“, erklären die Forscher. Welche Teile des Denkorgans dabei aktiv werden, hängt von der Art der Arbeit ab – sei es ein Fußball- oder ein Schachspiel. Bekannt ist, dass dann auch der Blutfluss in den beteiligten Hirnregionen zunimmt und dass die fMRI diese Veränderung anhand der Menge der von roten Blutkörperchen transportierten Sauerstoffmoleküle sichtbar machen kann. Die bisherige Vermutung, dass dies den Nährstoffverbrauch der Nervenzellen widerspiegelt, sei jedoch falsch, beteuern Nakada und Suzuki. Deren Berechnungen zufolge wäre im Blutstrom nämlich etwa sechs Mal mehr Energie in Form von Zucker- und Sauerstoffmolekülen enthalten, als die Nervenzellen für ihre Aktivitäten benötigen. „Dieser Unterschied war für Hirnforscher bislang ein ärgerliches Rätsel“, sagen die Japaner, und sie verweisen darauf, dass solch riesigen Unterschiede zwischen Verbrauch und Bedarf in der Natur äußerst ungewöhnlich seien.

Ihre Forschung zeige nun, dass die bei der fMRI gemessene Zunahme des Blutflusses ein Mechanismus ist, mit dem das „Überhitzen“ von Nervenzellen verhindert wird. Der Blutfluss, der in nicht aktiven Hirnregionen – also im „Ruhezustand“ – statt findet, würde nämlich nur drei Viertel der Wärme abtransportieren können, die von aktiven Teilen des Denkorgans erzeugt wird. „Unser Modell hat bestätigt, dass die Zunahme des Blutflusses bei der Aktivierung von Hirnregionen genau den nötigen Umfang hat, um die zusätzliche Wärme abzuführen“, rechen die Neurowissenschaftler vor.

Quelle:

  • Nakada T, Suzuki K, Kwee I.L.: Excess heat removal is likely to be the main role of increase in regionla blood flow associated with brain activation. Abstract 406.3 des 2009 Neuroscience Meeting Planner. Chicago, IL: Society for Neuroscience, 2009. Online.

Weitere Informationen:

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Strom bringt bei Ratten Gedächtnis zurück

Mit Elektroreizen haben amerikanische Wissenschaftler durcheinander geratene Hirnströme bei Ratten wieder in Einklang gebracht und dadurch einen vorübergehenden Gedächtnisverlust (Amnesie) kuriert. Die neuartige Methode könne vielleicht auch einmal bei Menschen eingesetzt werden, spekulierte Prasad R. Shirvalkar vom Mount Sinai Medical Center (New York) bei der Präsentation seiner Arbeit auf einem Fachkongress in Chicago.

„Unsere Experimente zeigen, dass zwei Arten von Hirnströmen – Theta und Gamma – in Einklang gebracht werden müssen, damit wir uns an vergangene Ereignisse erinnern können“, erläuterte Shirvalkar auf der Jahrestagung der Society for Neuroscience, der weltweit größten Tagung von Hirnforschern. „Hirnwellen sind elektrische Rhythmen, in denen sich die Erregung und Hemmung von Nervenzellen widerspiegelt. Wie die Noten eines Liedes sind die Hirnwellen aus verschiedenen Frequenzen zusammen gesetzt. Der Hippocampus, eine Hirnstruktur, die bei der Gedächtnisbildung eine wichtige Rolle spielt, hat zwei auffällige Rhythmen: Theta, mit sieben Schwingungen pro Sekunde, und Gamma, mit 30 Schwingungen pro Sekunde. Wenn die beiden Rhythmen zusammen geführt werden, harmonisieren sie sich etwa so, wie verschiedene Noten einen Akkord bilden können.“

Shirvalkar und seine Mitarbeiter haben nun bei Ratten heraus gefunden, dass Theta- und Gammawellen in Einklang waren, wenn Gedächtnisinhalte erfolgreich aufgerufen wurden; aber nicht, wenn die Erinnerung versagte. Den Gleichklang der Hirnwellen störten die Forscher bei ihren Versuchstieren mit der vorübergehenden Anwendung des Betäubungsmittels Musimol im Hippocampus. Anschließend konnten die Ratten sie sich nicht mehr erinnern, wo in einem Wassertank eine versteckte Plattform lag, auf der sie sich beim umher schwimmen ausruhen konnten. Den künstlich hervor gerufenen Gedächtnisverlust konnten die Wissenschaftler jedoch zumindest teilweise beheben, als sie bei den Nagern eine spezielle Hirnstruktur, den Fornix mit Strom stimulierten. Der Fornix ist eine Nervenbahn, die den Hippocampus mit anderen Regionen des Gehirns verbindet.

Mit speziellen Aufzeichnungsgeräten im Miniaturformat war es den Forschern gelungen, zu beobachten, wie die Hirnwellen sich beim Lernen des Ortes der versteckten Plattform zunächst synchronisiert hatten. Sie konnten zusehen, wie dieser Einklang von Theta- und Gammaband durch die Betäubung wieder verloren ging. Und als sie durch die gezielte elektrische Stimulation des Fornix den Einklang zwischen Theta- und Gammawellen wieder herstellten, erinnerten sich die Ratten und fanden die versteckte Plattform wieder.

„Diese Entdeckung ebnet den Weg zu möglichen neuen Behandlungen, die das Gedächtnis verbessern“, so Shirvalkar. Der Hirnforscher denkt dabei an eine Variante der elektrischen Tiefhirnstimulation. Dieses Verfahren wird bereits seit Jahren erfolgreich eingesetzt, um die Bewegungsstörungen von Parkinson-Patienten und anderen Kranken zu lindern. „Würde man mit der gleichen Methode Hirnregionen reizen, die am Abruf von Erinnerungen beteiligt sind, könnte das vielleicht den Gedächtnisverlust bei der Alzheimer-Krankheit oder bei anderen Demenzen verringern.“

Quelle:

  • Shirvalkar PR, Rapp PR, Shapiro ML. Hippocampal theta gamma coherence is required for episodic memory: Therapeutic effects of fornix stimulation on temporary amnesia. Abstract 100.9. des 2009 Neuroscience Meeting Planner. Chicago, IL: Society for Neuroscience, 2009. Online.

 

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Früh übt sich, wer ein guter Vater wird

Wie gut Männer für ihre Kinder sorgen, hängt auch davon ab, ob sie selbst als Babies von ihrem Vater umsorgt wurden. Diese Vermutung haben Hirnforscher nun mit Tierversuchen an der Kalifornischen Maus (Peromyscus californicus) erhärtet, einer der wenigen Säugetierarten, bei denen die Väter unter natürlichen Umständen Brutpflege betreiben.

„Unsere Beobachtungen legen nahe, dass die väterliche Pflege während der Entwicklungsphase den Umfang und die Qualität des väterlichen Verhaltens später im Leben beeinflusst“, erläuterte die Doktorandin Erin Gleason von der Psychologischen Abteilung der Universität Wisconsin auf der Jahrestagung der Society for Neuroscience in Chicago. Mit ihren Kolleginnen hatte Gleason das Verhalten von zwei Gruppen von Mäusevätern und deren Nachkommen untersucht. In der einen Gruppe waren die erwachsenen Männchen kastriert worden und hatten deshalb weniger Testosteron im Körper. Diese Männchen verbrachten weniger Zeit in engem Kontakt mit ihren Jungen und pflegten diese auch weniger gut als eine Vergleichsgruppe normaler, nicht kastrierter Männchen.

Als die Jungen aufgewachsen waren, durften sie sich mit Weibchen paaren und die Forscher zeichneten dann mit Videokameras auf, wie die Söhne kastrierter und nicht-kastrierter Väter nun ihrerseits mit dem eigenen Nachwuchs umgingen. Die Auswertung der Videoaufnahmen ergab, dass die künstliche Verringerung des Geschlechtshormons Testosteron auch für die Enkel spürbare Folgen hatte. Die Söhne der kastrierten Väter verbrachten nämlich eindeutig weniger Zeit mit ihren Jungen und sie ließen den Nachwuchs annähernd doppelt so lange allein, wie die Väter der Vergleichsgruppe. Außerdem konnte Gleason beobachten, dass die in ihrer Kindheit vernachlässigten Mäuse ihre Jungen zwar vier Mal so oft aufsammelten – allerdings gelang es diesen Vätern meistens nicht, ihre Jungen auch zurück ins Nest zu bringen.

Für Gleason ist die Studie ein klarer Hinweis, dass Gene alleine das unterschiedliche Verhalten bei der Brutpflege nicht erklären können. „Vielmehr wird das väterliche Verhalten bereits während der frühen Kindheit geprägt“, so Gleason – „und wahrscheinlich ist dies bei Menschen genau so.“

Quelle:

  • Gleason AD, Marler CA. Epigenetic Transmission of Paternal Behavior in the Monogamous and Biparental California Mouse, Peromyscus Californicus. Abstract 100.9. des 2009 Neuroscience Meeting Planner. Chicago, IL: Society for Neuroscience, 2009. Online.

 

 

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Hirnveränderungen bei Stotterern sichtbar gemacht

Nervenbahnen, die Signale zwischen dem Hör- und Sprachzentrum der linken Hirnhälfte übertragen, sind bei Stotterern offenbar unterbrochen, berichteten Mitarbeiter der nationalen Gesundheitsinstitute der USA (NIH) auf dem weltweit größten Treffen von Hirnforschern in Chicago.

In der rechten Hirnhälfte fließen die Daten bei Stotterern zwar leichter als bei Menschen ohne Sprachprobleme, fand Soo-Eun Chang mit ihren Kollegen heraus. Dies nützt den Stotterern aber wenig, da Worte und Sprache in aller Regel von der linken Seite des Denkorgans viel leichter geformt werden, als von der rechten. Untersucht und miteinander verglichen wurden 21 gesunde Erwachsene, die bereits von Kind an gestottert hatten, und 21 weitere gesunde Freiwillige ohne Sprachprobleme.

Dass das Gehirn von Stotterern „seitenverkehrt“ angelegt sei, hatte man bereits vor 80 Jahren postuliert. Auch hatten frühere Studien immer wieder Unterschiede im Energieverbrauch zwischen den beiden Hirnhälften bei Stotterern gegenüber flüssigen Sprechern gezeigt. Erst in den vergangenen Jahren ist es den Neurowissenschaftlern jedoch gelungen, den Datenfluss zwischen verschiedenen Hirnregionen entlang der Nervenbahnen sichtbar zu machen.

“Unsere Studie ist die erste, bei der die beim Stottern gestörten Verbindungen derart detailliert erfasst wurden“, erklärte Chang, die nach ihrer Doktorarbeit als Professorin an die Universität von Michigan gewechselt ist. Die Koordinationsstörung zwischen sprachverarbeitenden und spracherzeugenden Regionen der linken Hirnhälfte zeigten die Stotterer sogar dann, wenn sie schwiegen. Für Chang ist das ein klarer Hinweis darauf, dass der gestörte Datenfluss nicht etwa eine Folge des Stotterns ist, sondern dass die „schlechte Leitung“ die Ursache der Sprachstörung sein könnte.

Quelle:

  • Chang S, Horwitz B, Ludlow CL. Inter- and intra-hemispheric functional connectivity differs during speech and non-speech production in stuttering speakers. Abstract 82.2 des 2009 Neuroscience Meeting Planner. Chicago, IL: Society for Neuroscience, 2009. Online.
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