Neues Werkzeug für die Hirnforscher

San Diego. US-amerikanische Neurowissenschaftler haben aus dem Erbgut eines Fisches ein Gen isoliert, mit dem die Tiere elektromagnetische Felder erspüren können. Außerdem ist es den Forschern gelungen, das Gen in Rattenhirne einzupflanzen und damit epileptische Anfälle zu unterdrücken. Über ihre Entdeckung berichtete die Arbeitsgruppe um Galit Pelled von der Radiologischen Abteilung der Johns Hopkins Universität (Baltimore) auf der Jahrestagung der Society for Neuroscience.

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Aus Indischen Glaswelsen – hier im Aquarium des Frankfurter Zoos – haben Hirnforscher ein Gen isoliert, das es den Tieren ermöglicht, auf elektromagnetische Felder zu reagieren (Foto: Martin Fisch via Wikipedia [CC BY-SA 2.0])

Zwar hat es in den vergangenen Jahren große Fortschritte darin gegeben, Nervenzellen in lebenden Organismen und ausgewählten Schaltkreisen des Gehirns nach Belieben an- und auszuschalten. „Diese Methoden erfordern jedoch den Einsatz von Glasfaserkabeln, Medikamenten, Radiowellen oder Ultraschall“, sagt Jineta Banerjee, die in San Diego eine der beiden Arbeiten aus Pelleds Gruppe präsentiert hat. Die Entdeckung von Genen, die auf nicht-invasive elektromagnetische Felder reagieren, sei noch ganz am Anfang, so Banerjee.

Fündig wurden die Wissenschaftler im Indischen Glaswels (Kryptopterus bicirrhis), von dem man weiß, dass er wie einige andere Wasserbewohner auch sich mithilfe von elektromagnetischen Feldern orientiert. Beim Glaswels ist daran offenbar das bislang unbekannte „electromagnetic perceptive gene“ (EPG) beteiligt. Dieses Gen haben die Forscher nun isoliert, an ein zusätzliches Reportergen gekoppelt, und anschließend im Labor in Nervenzellen eingebaut.

Zwar gelang dies zunächst nur mit exakt neun Nervenzellen. Als die Forscher jedoch für jeweils 10 Sekunden elektromagnetische Felder auf die Zellkultur abstrahlten, öffnete das EPG Ionenkanäle in der Zellmembran. Dank des Reportergens konnten die Forscher beobachten, wie sich unmittelbar darauf im Zellinneren die Konzentration von Kalziumionen um etwa 20 Prozent erhöhte – ein typisches Verhalten für aktivierte Nervenzellen.

„Wir erwarten, dass diese Entdeckung das Potenzial hat, die Neurowissenschaften zu transformieren“, schreiben die Forscher eher unbescheiden in die Schlussfolgerungen ihrer Arbeit.

Zumindest im Tiermodell haben sie allerdings auch gleich gezeigt, wie die neue Technik eingesetzt werden kann, um Krampfanfälle zu verhindern: Sie nutzen dafür Ratten, denen man Kainsäure ins Nervensystem gespritzt hatte, sodass die Tiere regelmäßig epileptische Anfälle entwickelten.

Einem Teil der Tiere injizierten die Forscher dann Viren, die das EPG in die Hirnregion des Hippocampus einschleusten; eine zweite Gruppe bekam zum Vergleich die gleichen Viren ohne EPG. Zwei Wochen danach zählten die Wissenschaftler, wie häufig die Ratten Krampfanfälle bekamen. Bei Tieren mit dem EPG sank die Zahl von ursprünglich 17 am Tag um beinahe 50 Prozent auf 9, in der Kontrollgruppe dagegen ging die Zahl der Anfälle nur um 16 Prozent zurück. Möglicherweise hätte bereits die aufkommende elektrische Aktivität zu Beginn eines Krampfanfalls das EPG aktiviert, und so den Ausbruch unterbunden, spekulieren die Wissenschaftler.

Als sie nochmals zwei Wochen später ihr Experiment wiederholten und diesmal das EPG durch ein elektromagnetisches Feld aktivierten, sank die Zahl der Krampfanfälle erneut – und zwar um etwa 80 Prozent auf durchschnittlich nur noch 3,6.

„Diese vorläufigen Daten legen nahe, dass die drahtlose Aktivierung von EPG durch elektromagnetische Felder oder möglicherweise die elektromagnetischen Veränderungen durch die Krampfanfälle selbst die Attacken unterdrücken können“, sagte der Medizinstudent Benjamin Theisen, der bei diesem Experiment federführend war, im Namen seiner Kollegen. Und auch diese Präsentation endete mit einer sehr optimistischen Einschätzung: „Weitere Untersuchungen könnten zu einer neuen, nicht-invasiven Alternative zu den gegenwärtigen klinischen Standards führen.“

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