Nerv repariert

Mit der Chemikalie Polyethylenglykol (PEG) lassen sich durchtrennte Nervenfasern (Axone) wieder zusammenfügen. Todd Krause und George Bittner (Universität von Texas in Austin) gelang dieses Experiment beim Regenwurm. Einmal durchtrennte Nervenfasern zerfallen bei höheren Tieren normalerweise innerhalb von einigen Tagen. Eine Reparatur der Axone findet nur in seltenen Ausnahmefällen statt.

Die Wissenschaftler erzielten mit ihrer Methode an den relativ großen Nervenfasern des Regenwurmes eine Erfolgsquote von 80 bis 100 Prozent. Dazu tauchten sie die freien Enden der Axone zunächst in eine Salzlösung, mit der die Schnittstelle vollständig geöffnet wurde. Mit einer feinen Glaskanüle brachten die Forscher dann unter dem Mikroskop einen Tropfen PEG auf die Schnittstelle.

Innerhalb einer Minute gelang es ihnen, die meisten der getrennten Axone wieder zusammenzufügen. Die Funktion der Nervenfaser überprüften Krause und Bittner, indem sie den Transport von Farbstoffen durch die reparierten Fasern beobachteten. Auch die Leitung von elektrischen Impulsen wurde in mehreren Fällen nachgewiesen. Die Forscher erproben ihre Methode derzeit an den verhältnismäßig dünnen Axonen von Ratten und anderen Wirbeltieren. Sollten die Versuche erfolgreich sein, so Bittner, könne die Technik etwa in fünf Jahren auch beim Menschen angewendet werden.

(erschienen in der WELT am 5. Mai 1990. Letzte Aktualisierung am 7. März 2017)

Originalliteratur: Krause TL, Bittner GD. Rapid morphological fusion of severed myelinated axons by polyethylene glycol. Proc Natl Acad Sci U S A. 1990 Feb;87(4):1471-5

Was wurde daraus? Im Rückblick war dies eine bahnbrechende Arbeit. Die Technik ist weiterhin in Gebrauch, wurde aber weiterentwickelt, um die Reparatur durchtrennter Nerven zu fördern. Die Prognose einer Anwendung beim Menschen binnen fünf Jahren erwies sich aber als zu optimistisch. Dennoch scheint sich der Einsatz des Verfahrens zur Rettung von Nerven der klinischen Praxis zu nähern, folgere ich aus mehreren Reviews, in denen die obige Arbeit zitiert wird.

Dieser Beitrag wurde unter Medizin & Gesundheit abgelegt und mit , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert