„Wenigstens die Vögel werden schlauer“, war mein erster Gedanke angesichts einer Meldung, die das Senckenberg Forschungsinstitut heraus gegeben hat. Statt lahmer politischer Witze hier meine Kurzzusammenfassung der Forschungsarbeit, die gerade in dem Fachblatt „Biological Conservation“ erschienen ist: Unter 57 Singvogelarten, deren Bestand von ehrenamtlichen Beobachtern des Dachverbandes Deutscher Avifaunisten seit 1991 erfasst wird, haben sich die Arten mit größerem Gehirn in Ostdeutschland und in der Tschechischen Republik vermehrt. In Norddeutschland, das zum Vergleich diente, dagegen fand sich dagegen kein solcher Trend.
Die Wissenschaftler um Professor Katrin Böhning-Gase vom Biodiversistät und Klima Forschungszentrum in Frankfurt a.M. hatten nach Zusammenhängen zwischen der Bestandsentwicklung und typischen Merkmalen der Vögel gesucht wie zum Beispiel deren Lebensraum und Ernährung, den Anforderungen ans Klima, dem Überwinterungsgebiet und schließlich auch der Größe des Gehirns im Verhältnis zum Körper insgesamt. Um aus der Pressemitteilung zu zitieren, die das Senckenberg heraus gegeben hat:
Dabei stießen die Wissenschaftler auf eine interessante Tatsache: Regionale Unterschiede in der Entwicklung einzelner Vogelarten hängen mit deren Gehirngröße zusammen. Wie die Studie zeigt, haben in Ostdeutschland die Bestände von Singvogelarten, deren Gehirn relativ groß ist, verglichen mit Norddeutschland seit 1989 / 1990 leicht zugenommen. In der Tschechischen Republik hat die Anzahl dieser Singvögel im Vergleich sogar stark zugenommen. Der Ost-West-Unterschied legt nahe, dass dies mit dem gesellschaftlich-wirtschaftlichen Umbruch in beiden Gebieten zusammenhängen könnte. „Die relative Größe des Gehirns wird als Indikator für die kognitiven Fähigkeiten eines Vogels angesehen. Der Bestandsanstieg solcher Singvögel lässt vermuten, dass Vögel mit guten kognitiven Fähigkeiten eher in der Lage sind, sich an schnell ändernde Umweltbedingungen anzupassen. Sie konnten damit die Chancen, die sich nach dem Ende des Kommunismus ergaben, besser für sich nutzen“,
so Böhning-Gase. Zu den Veränderungen, die seit dem Zusammenbruch des Kommunismus die Ausbreitung der Vögel beeinflusst haben sollen, zählt die Forscherin die Besiedelung der Städte und genauer: Die Rückkehr von Parks und Grünanlagen in die Innenstädte einerseits sowie den massiven Bau von Eigenheimen an den Stadträndern andererseits.Die neuen Lebensräume, die so entstanden sind, hätten die Vögel mit größerem Gehirn begünstigt, denn die könnten ihr Verhalten leichter anpassen und seien damit eher in der Lage, in der Nähe von Menschen zu leben. Zu den klügeren, oder jedenfalls anpassungsfähigeren Arten, die dabei aufgrund ihres relativ großen Gehirns im Vorteil sein sollen, gehören demnach Elstern, Eichelhäher und Meisen, wogegen der Dorngrasmücke „geringere kognitive Fähigkeiten“ bescheinigt werden.
Bessere kognitive Fähigkeiten erlauben die Eroberung neuer Lebensräume, erklären die Wissenschaftler. Allerdings frage ich mich, ob es nicht auch andere mögliche Gründe für den Trend geben könnte. Nach dem Fall der Mauer wurden doch nicht nur ein paar neue Häuser gebaut, sondern es hat sich fast alles verändert. Warum sind die Unterschiede zwischen Ost- und Norddeutschland vergleichsweise gering? Welchen Einfluss hatte zum Beispiel die Fütterung im Winter, die Veränderung des Verkehrs oder der Rückgang der Umweltverschmutzung – um nur ein paar Faktoren zu nennen?
Dass viele Fragen offen geblieben sind, haben indes auch die Forscher selbst erkannt und so schlagen sie vor „in Folgestudien den regionalen Fokus auszuweiten und den Zusammenhang zwischen sozioökonomischer Veränderung und Einfluss auf die Vogelbestände über viele Länder hinweg zu vergleichen.“ Von mir aus können sie das gerne tun, auch wenn der Vorschlag irgendwie nicht ganz uneigennützig zu sein scheint. Aber angesichts der Summen, die (ich kann mir den Hinweis nicht verkneifen) zur „Euro-Rettung“ verdummt werden, sollten wir nicht kleinlich sein und statt den Spekulanten lieber die Ornithologen unterstützen. Ich bin schon sehr gespannt, welche Zusammenhänge zwischen politischer Entwicklung und Hirngröße die Vogelforscher uns als nächstes präsentieren werden.
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